Fünf Tage war Hans-Otto Elbert vom Verein "Direkte Hilfe für Kinder in Not" unterwegs, um einen Kleinbus nach Rumänien zu bringen. Oberurseler Bürger hatten bei einer Spendenaktion weit über 16000 Euro zusammengebracht, um das Fahrzeug zu finanzieren, das für ein Heim für behinderte Kinder bestimmt ist. TZ-Redakteur Michael Neumann begleitete Elbert auf der Fahrt nach Rumänien. In einer kleinen Serie wollen wir über die Hilfsaktion berichten.
Oberursel/Carani. Pater Berno Rupp ist praktisch veranlagt. Zur Weihe des Ford Transit hat er sein kirchliches Handbuch mitgebracht, und nun blättert er darin: "Flugzeuge, Motorräder, Schiffe, ach, da haben wir´s ja: Weihe von Autos." Mit lauter schneller Stimme liest der Pater vom Orden der Salvatorianer die entscheidenden Textpassagen vor, während die Decke des kleinen zum Altar umfunktionierten Tisches im Wind flattert. Er erfasst auch den Umhang der hageren Gestalt des 67-jährigen Priesters mit dem lichten Haar. Einen "Manager Gottes" nennt Hans-Otto Elbert den Pater, und diese Beschreibung des agilen Geistlichen könnte treffender nicht sein.
1991 wurde Pater Berno Rupp von seinem Orden nach Timisoara entsandt, wo die Salvatorianer seit 100 Jahren zwei Kirchengemeinden in der Elisabethstadt betreuten. 1947 hatte der kommunistische Staat den Orden verboten und die Kirchengemeinden enteignet. "Vier Priester und zwei Laienprediger mussten zurück zur Ordensgemeinschaft", sagt mir Pater Berno beim kleinen Interview im Esssaal der 1932 von den Salvatorianern erbauten katholischen Herz-Jesu-Kirche mit dem angeschlossenen Kloster. Kirche und Kloster wurden zweckentfremdet, Coop richtete dort eine Verwaltung ein, andere Unternehmen siedelten sich an, und in den abgelegenen Räumen übernachteten Obdachlose.
1992 erlangte der Orden vor Gericht wieder die Besitzrechte über die Kirche, und jetzt begann Pater Berno mit dem Wiederaufbau des Gotteshauses, unterstützt von seinem Orden, der in Bayern, aber auch in Österreich und in der Schweiz beheimatet ist. 1993 wurde mir der Schlüssel für Kirche und Kloster übergeben, damals hatten wir weder Strom noch Wasser", erinnert sich Pater Berno.
Was der Geistliche in den folgenden neun Jahren in der Elisbethstadt geleistet hat, ist unglaublich. Seit 1993 bietet er in der Kirche täglich einen Mittagstisch für Bedürftige an. "Das Essen kommt komplett von draußen, wird von Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gespendet", sagt Pater Berno. Alle paar Wochen fahren schwer beladene Lastzüge im Hof der Kirche vor, Hunderte von Kisten werden abgeladen.
Die Flure im Keller des Gotteshauses sind eng, denn rechts und links des Ganges stapeln sich Bananenkisten mit gespendeter Kleidung. Einmal im Monat wird sie verteilt, lange Schlangen bilden sich dann an den Eingängen zur Kirche. "Das ist ganz streng geregelt, mit Berechtigungskarten und so", sagt der Priester bei einem Rundgang durch die weitverzweigten Gänge des Gotteshauses. Hier und da bleibt er stehen, spricht kurz mit einer Schwester, begutachtet die Schrift auf einem Kleiderkarton und greift in die Tasche. Das Handy klingelt zum x-ten Male. - Manager eben.
Jetzt steigen wir in den blauen Mercedes-Lieferwagen, und Pater Berno steuert das klapprige Gefährt, die Straßenlöcher ignorierend, ein paar Straßen weiter zum Nachtasyl. Vor zwei Jahren hat er mit Spendengeldern ein geräumiges Haus gekauft, hat es umbauen lassen und bietet dort etwa 100 Obdachlosen, darunter 30 bis 40 Frauen und viele Straßenkinder, ein Nachtquartier an. Auch hier, im Pater Jordan-Haus, gelten strenge Regeln. Und auch diese soziale Einrichtung wird von der Caritas betreut.
"Um 18 Uhr öffnen wir das Haus für die Bewohner, die mit Duschen dran sind, um 19 Uhr für alle anderen Bewohner", sagte der Pater, Rauchen und Alkohol sind verboten. Die Besucher bekommen ein Abendessen und ein Bett in den beiden großen Schlafsälen mit den dreistöckigen Betten. Um einen alten Fernsehapparat sind ein paar zerschlissene Sessel und eine Couch gruppiert. Um 7 Uhr müssen sie das Haus wieder verlassen, dann sind sie sich selbst überlassen. "Nur drei von ihnen haben Arbeit", verrät mir der junge Rumäne, der die Aufsicht im Nachtasyl hat. "Nicht immer eine leichte Aufgabe", fügt der junge Mann an.
Viele der Obdachlosen wohnen auf Dauer hier, aber sie haben nur bedingt Anspruch auf ein Bett. "Wer drei Tage in Folge nicht im Asyl ist, verliert seine Schlafstatt und darf erst nach einigen Wochen wieder anklopfen."
Ein Bett für die Nacht und ein Essen am Abend, das kann nach Ansicht Pater Bernos nicht alles sein. "Was die Obdachlosen und die Straßenkinder brauchen, ist Arbeit. Nur die kann ihnen auch wieder eine Lebensperspektive bieten", sagt der Pater. Und er würde das nicht sagen, wenn er nicht längst ein neues Projekt planen würde, eine "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme", wie wir das in Deutschland bezeichnen würden. Wir setzen uns wieder in den Bus, verlassen Timisoara und finden uns nach einer halben Stunde in Bakova wieder, einer ehemaligen Kolchose, die nun wieder mit Leben erfüllt werden soll.