Oberursel. In dem überheizten Raum der ungarischen Zollbehörde am österreichisch-ungarischen Grenzübergang Hegyshalom steht die Luft. Hans-Otto Elbert, Nummer 28 in der Schlange vor dem kleinen Schiebefenster des Zollbeamten, schaut nervös auf die Uhr. Es ist kurz nach sieben, und in einer halben Stunde, so haben es ihm andere Brummi-Frahrer gesagt, machen die Beamten gewöhnlich für anderthalb Stunden den Laden dicht. 14 Stunden ist es zu diesem Zeitpunkt her, dass Elbert, Vorsitzender des Oberurseler Vereins "Schnelle Hilfe für Kinder in Not", mit Beifahrer und TZ-Redakteur Michael Neumann in Oberursel gestartet ist, um mit einem zu zwei Dritteln beladenen 7,5-Tonner Hilfsgüter nach Rumänien zu bringen.
Die Fahrt ist das Leichteste, den Zoll zu überwinden das Schwierigste, hatte Elbert prophezeit. Er hat das schon Dutzende Male erlebt, und sich auch Dutzende Male geärgert über die Arroganz der Beamten. Und er irrt auch diesmal nicht. Zwei Stunden schon hat es gedauert, bis er sich endlich in der vierten Schlange an diesem Abend einreihen darf. In dieser Zeit war er unterem beim Veterinär und bei der Spedition, die geradezu gnädig den Laufzettel abgestempelt haben.
Überall werden Euro fällig, mal sind es fünf, mal fünfzehn, und immer wieder wird der dicke Stapel von Urkunden durchgeblättert, werden die Papiere, die nicht benötigt werden, dem geradezu demütig wartenden Grenzübergänger hingeworfen. Wie konnte Elbert den Beamten auch mit solcherlei Urkunden belästigen? Diese Frage scheint in der Luft zu liegen. Da hilft auch der Formularaufdruck "Hilfstransport" wenig. Darauf nimmt keiner Rücksicht. Nach knapp drei Stunden harter Geduldsprobe ist es geschafft, ist die erste von insgesamt sechs Zollhürden übersprungen.
Immer wieder wartet der Zoll
Am späten Nachmittag des zweiten Reisetages ist Ungarn durchquert, mit Tempo 80 als Höchstgeschwindigkeit. Und wieder wartet der Zoll: Ausreise aus Ungarn, Einreise nach Rumänien. Die Ungarn sind diesmal gnädig, nur anderthalb Stunden Stempeltour, beim rumänischen Zoll rechnet Hans-Otto Elbert mit fünf oder sechs Stunden, "es kann natürlich auch länger dauern, wenn doch irgendein Schriftstück fehlen sollte." Was dann natürlich auch prompt angemahnt wird: Das verlangte Formular aber stellt sich der Oberurseler Vereinsvorsitzende kurzerhand selbst aus. Den Vereinsstempel hat er sicherheitshalber mitgebracht.
Das der rumänische Zollhof schon nach einer Stunde passiert werden darf, daran haben Mirco, Mitarbeiter bei Caritas Timisoara, und Schwester Pacifica großen Anteil. Vor der Ordensfrau in schwarzer Schwesterntracht haben die Zöllner Respekt. Zwanzig Euro werden dennoch als "Beschleunigungsmittel" über den Tresen geschoben.
Im Kinderheim im nahe Timisoara gelegenen Dörfchen Caran, das vor neun Jahren von der Oberurseler Schwester Georgis gegründet wurde und seit einigen Jahren von Elberts Verein maßgeblich unterstützt wird, warten sie am Abend schon ungeduldig auf die Gäste aus Deutschland. Mit herzlichen Umarmungen werden sie begrüßt, im großen Aufenthaltsraum ist schon lange reich gedeckt, und nach dem Essen wird über die Fahrt berichtet.
Mircea, "Mädchen" für alles im Kinderheim, der unter anderem montags bis freitags die behinderten Kinder morgens zu Hause abholt und nachmittags wieder heimfährt, zeigt voller Stolz seine Pläne für den Ausbau der Garage für den neuen Ford Transit, den der Oberurseler Verein im März nach Caran gebracht hatte (die TZ berichtete).
Vom Rollstuhl bis zum Kinderwagen
Nach kurzer Nacht im Hotel in Timisoara bleibt nur ein Tag, um die Hilfsgüter zu verteilen. Zuvor muss die Ladung aber noch vom Zoll in Timisoara überprüft werden. Wieder hilft Mirco, er macht einen Deal mit einem Zöllner. Nächstes Ziel ist das Caritaslager im 30 Kilometer entfernten Bakowa. Dort werden neun Krankenbetten, einige davon mit elektrischer Bedienung, und viele Kartons mit Kleidungsstücke, aber auch Rollstühle und Kinderwagen ausgeladen.
Dann geht´s wieder nach Caran. Dutzende von Kartons mit Kleidung und Spenden von der Firma Milupa in Friedrichsdorf und vieles andere mehr werden in den Keller des Kinderheims getragen. Und wieder hat die Köchin des Kinderheims angerichtet. Dann noch ein Besuch in einem ebenfalls von Schwester Georgis gegründeten Kinderheim ein paar Dörfer weiter. Am Abend lädt Mircea die beiden Gäste und Schwester Pacifica in Timisoara zum Abendessen ein. Dann heißt es Abschied nehmen.
Der vierte und der fünfte Tag sind wieder reine Reisetage, und obwohl die Ladefläche jetzt leer ist, pocht der Zoll auf sein Stempelrecht. Ausreise Rumänien,Einreise Ungarn, Ausreise Ungarn, Einreise Österreich. Und wieder sind 1450 Kilometer bei Tempo 80 zurückzulegen.
Am Frankfurter Unfallkrankenhaus trennen sich die beiden Transporteure. Fahrer und Beifahrer sind gleichermaßen geschafft von der "Ochsentour". Im Juni kommenden Jahres wollen sie wieder Richtung Osten starten, dann aber im bequeme
ren Personenwagen. Sie sind eingeladen zum zehnten Geburtstag des Kinderheims. Und diese Einladung haben sie gerne angenommen.